"Kein Beitritt, keine Kooperation"

Interview mit Musikschulleiterin Karin Schlagintweit, Münchner Merkur vom 31.07.2017

Das Interview wurde schriftlich eingereicht und leicht verändert/gekürzt veröffentlicht.

 

Können Sie nachvollziehen, warum der Gemeinderat die Entscheidung über den Zuschuss zurückgestellt hat?

 

"In gewisser Weise ja. Jeder hat ja das Recht, die günstigste Lösung für sein Anliegen zu suchen. Die Diskussion im Gemeinderat hat für mich aber gezeigt, dass mancher offenbar von Voraussetzungen ausgeht, die sich nicht ohne weiteres auf eine Musikschule übertragen lassen. Es geht hier ja nicht um eine klar umrissene Baumaßnahme, sondern um Kinder, um Bildung, um Kultur, um ein ganzes Paket an Leistungen mit vielen Extras. Da lassen sich die verschiedenen Anbieter wie Privatlehrer, freie Musikinstitute und anerkannte Musikschulen nicht ohne weiteres vergleichen."

 

 

Wo liegen denn die Unterschiede zu anderen Anbietern?

 

"Wichtig sind vor allem Qualität und Kontinuität durch Festanstellung unserer Lehrer: Als anerkannte Verbands-Musikschule des Landes Bayern dürfen wir nur Lehrkräfte mit Hochschulabschluss anstellen. Wir unterliegen der stattlichen Schulaufsicht der Regierung und leiten jedes Jahr einen ausführlichen Tätigkeitsbericht an sie weiter. Außerdem prüfen wir in Probestunden, ob ein Bewerber das nötige pädagogische Geschick hat und in unser Team passt. Wir achten auch sehr darauf, dass zwischen Lehrer und Schüler die Chemie stimmt. Wir erreichen das, weil wir für fast alle Instrumente mehrere Lehrkräfte haben. So ergeben sich oft langjährige Unterrichts-Beziehungen, in denen die Lehrer besser auf die Bedürfnisse und Möglichkeiten ihrer Schüler eingehen können. Zugleich fallen bei Krankheit kaum Stunden aus, weil auch mal ein anderer einspringen kann. Die Vorgaben des Musikschulverbands zur Qualitätssicherung gehen aber noch viel weiter."

 

 

Wie sehen diese denn aus?

 

"Eine wichtige Vorgabe ist die Vielfalt des Angebots. Eine Verbandsmusikschule muss möglichst das volle Spektrum an Instrumenten abdecken – von der Früherziehung, Grundfächer, Blockflöte über Klavier und Schlagzeug bis hin zur Harfe. Insgesamt unterrichten derzeit29 verschiedene Instrumente. Eine Geschwisterermäßigung für das jüngere Kind sowie eine Sozialermäßigung müssen gewährt werden. Auch erhalten Musikschüler bei besonderer Begabung eine spezielle Förderung mit einer Vorbereitung auf ein Musikstudium, finanziell uterstützt vom Land Bayern. Etwa ein fünftel aller Schüler nimmt jedes Jahr teil an den freiwilligen Leistungsprüfungen, die ein wichtiger Motivationsfaktor sind. Begabte Schüler werden auf Wettbewerbe vorbereitet, allen voran der Regionalwettbewerb „ Jugend musiziert“. Pädagogisch besonders wichtig sind für uns die Ensemblestunden. Wir bieten sie gratis an – zusätzlich zum Instrumentalunterricht. An der Musikschule Ampertal gibt es zum Beispiel Anfängerorchester wie „Die Streichhölzer“ für Geigenschüler oder die „Wirbelwinds“ für Bläser. Weiterhin gibt es Spielkreise für Gitarre, Schlagwerk und Flöte, Volksmusikgruppen sowie große Ensembles wie das Jugendblasorchester und das Salonorchester „Sinfonietta“ für Jung und Alt."

 

 

Gibt es noch weitere Angebote?

 

"Über die Vorgaben hinaus, bieten wir Orientierungshilfen an. Oft wissen Einsteiger noch gar nicht welches Instrument ihnen liegt. Dafür gibt es das Instrumentenkarussell. Hier können Schüler innerhalb von 12 Wochen verschiedene Instrumente im Unterricht ausprobieren. Das geht Hand in Hand mit unseren Leihinstrumente. Unser Bestand weist mittlerweile rund 150 Instrumente auf, die wir sehr günstig verleihen. Das Instrumentenkarussell wird jährlich etwa von 50 Kindern genutzt. 12 Kirchdorfer Schüler spielen derzeit auf Leihinstrumenten. Die Grundschule Kirchdorf wurde von uns ausgestattet mit zwei Klavieren, Notenständern, Gitarrenverstärkern und einem Keyboard. Das alles ist nur ab einer gewissen Größe mit entsprechender finanzieller Ausstattung möglich."

 

 

Warum braucht die Musikschule überhaupt einen kommunalen Zuschuss?

 

"Wir haben etwas höhere Ausgaben als private Anbieter, weil wir einfach mehr bieten als nur die reine Unterrichtsstunde. Zum Beispiel sozialversichterte, sichere Arbeitsverträge, die es uns ermöglichen, die Lehrer dauerhaft an die Schule zu binden. Damit garantieren wir Kontinuität und individuelle Betreuung im Unterricht. Die Verträge umfassen aber mehr als den bloßen Unterricht, etwa Ensemble-Unterricht, Schnupperstunden und Beratung, Konzertvorbereitung und -durchführung, Tage der offenen Tür, externe Veranstaltungen und Elterngespräche. Der kommunale Zuschuss zusammen mit dem Landeszuschuss ermöglicht es uns, moderate Unterrichtsgebühren für die Familien anzubieten."

 

 

Könnte die Gemeinde nicht ebenso jeden Schüler einzeln bezuschussen?

 

"Das könnte sie schon, die Frage ist allerdings, ob sie sich den Verwaltungsaufwand einer Einzelfall-Förderung antun möchte. Die Rolle als weitere Trägergemeinde ist dagegen sehr überschaubar und beschränkt sich im Wesentlichen auf eine Mitgliederversammlung und einen Zuschussbetrag pro Jahr. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Anbieter ohne entsprechende Organisation und Finanzierung die gleiche Vielfalt an professionellen Angeboten und Leistungen erbringen können wie eine kommunal geförderte anerkannte Musikschule. Dass die Förderung stets zweckgerichtet und effizient ist, garantieren die Vorgaben des Musikschulverbands."

 

 

Frau Schlagintweit, die Gemeinden Allershausen, Kranzberg, Hohenkammer und Paunzhausen sind bereits Mitglied bei der Musikschule Ampertal. Warum sollte Ihrer Meinung nach Kirchdorf jetzt auch beitreten?

 

"Momentan kommen bereits ohne Werbung rund 60 Schülerinnen und Schüler aus Kirchdorf. Die Zahl wächst langsam aber kontinuierlich was unsere Personalkosten steigen lässt. Schon jetzt haben sie einen kritischen Wert erreicht, bei dem der – für uns existenzielle – Landeszuschuss gefährdet ist. Momentan profitiert Kirchdorf also von Leistungen der anderen Trägergemeinden, bringt aber die Konstruktion ins Wanken. Ins Lot käme die Sache erst wieder, wenn neue Landesmittel fließen, was aber an eine Förderung durch die Kommune gekoppelt ist. Kirchdorf muss sich also entscheiden, ob es der Musikschule als förderndes Mitglied beitreten möchte – oder ein Einfrieren der Kooperation in Kauf nimmt."

 

 

Wie würden Sie das bewerten?

 

"Es wäre das erste Mal in der Geschichte der Musikschule seit 1990, dass eine Gemeinde nach jahrelanger erfolgreicher Zusammenarbeit abspringen würde. Ich glaube, dass die Eltern, Schüler und die Grundschule aus Kirchdorf, aber letztlich auch viele Gemeinderäte den Mehrwert einer Musikschule sehr gut einschätzen können. Insofern bin ich guter Dinge. Mit einem Beitritt könnte sich die Gemeinde Kirchdorf auf ein hochwertiges und vielseitiges Bildungs-Paket und einen bewährten Partner verlassen."